StadtGeschichte

Home

Aktuelles

Vorwort

Freitag, 8. September

Samstag, 9. September

Sonntag, 10. September

Sonstige Sehenswürdigkeiten

Buchhinweise

Impressum

SenStadtonline
Tag des offenen Denkmals
8.-10. September 2000
Einleitung  

Vorwort Peter Strieder | Einleitung Jörg Haspel

Berliner Industrie-, Technik- und Verkehrsdenkmale - eine Einführung

Das Ende des Industriezeitalters hat in Berlin ein reiches Erbe hinterlassen. Vor rund hundert Jahren galt die deutsche Hauptstadt als modernste und größte Industriestadt des Kontinents. Technisch führende und in Großkonzernen organisierte Unternehmen vor allem der Elektroindustrie und Stromversorgung begründeten Berlins Ruf als "Elektropolis". Denkmale der Industriekultur begegnen uns bis heute auf Schritt und Tritt. Manche sind uns so selbstverständlich und bis heute als nützliche Errungenschaften zu Diensten, dass wir sie im Alltag nicht missen möchten und kaum als historische Dokumente oder gar Monumente einer vergangenen Zeit registrieren.

Wer heute in der Fernbahn oder S-Bahn das kilometerlange Panorama vom Stadtbahnviadukt aus genießt oder in der U-Bahn bald unter dem Stau, bald erhaben über dem Straßenverkehr bequem die Stadt durcheilt, ahnt ja oftmals kaum, dass er auf traditionsreichen Streckendenkmalen die Berliner Denkmallandschaft passiert. Das Prinzip der kreuzungsfreien Überlagerung von straßen- und schienengebundenen Transportträgern kam in Berlin mit der bereits 1882 in Betrieb genommenen, gemauerten Stadtbahnstrecke erstmals zur Anwendung. Als erste Stadt Deutschlands und als eine der frühesten des Kontinents ging in Berlin der öffentliche Personennahverkehr um die Jahrhundertwende in den Untergrund und auf stählerne Hochbahnviadukte. Nicht zuletzt ihre Vorbildfunktion für andere Städte und ihr Alterswert machen die Berliner Anlagen mit den oftmals sehr anspruchsvoll ausgestalteten Stationsgebäuden zu einem bau- und technikgeschichtlichen Schlüsseldenkmal.

Der Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen Verkehrs- und Energie-Infrastruktur legten in der Kaiserzeit den Grundstein zum Aufstieg Berlins zu einer Industriemetrople von Weltgeltung. Der Reichtum historischer Eisenbahn- und Straßenbrücken, darunter oftmals kühne Eisen- und Stahlkonstruktionen, legt bis heute imposantes Zeugnis ab von dem als mustergültig erachteten Berliner Verkehrsnetz und der historischen Ingenieurbaukunst. Der Übergang vom Postkutschenzeitalter zu einem modernen Transport- und Kommunikationssystem hat auch am Wegesrand seinen unverwechselbaren Niederschlag gefunden. Ausgedehnte Lokomotivfabriken, mächtige Ringlokschuppen, weitgespannte Straßenbahn- und Busdepots und schließlich die raumgreifenden Anlagen des Flugzeugverkehrs haben gelegentlich sogar ganzen Ortsteilen ihre besondere Signatur verliehen. Die vergleichsweise spärlichen Relikte der einstmals großartigen und stadtbildprägenden Bahnhofslandschaft erinnern zwischen dem museal weitergenutzten Hamburger Bahnhof und der Portalruine des Anhalter Bahnhofs an die Blütezeit des Eisenbahnverkehrs von und nach Berlin und an seinen herben Niedergang in der Nachkriegszeit.

Zeugnisse und Spuren des Industriezeitalters prägen das Berliner Stadtbild allenthalben, selbst und vielleicht besonders aufschlussreich von der Wasserseite. Seen, Flüsse und Kanäle durchziehen nicht nur die landschaftlich reizvollsten Wohnlagen, Ausflugs- und Naherholungsgebiete. Die natürlichen und künstlichen Wasserläufe waren auch für die Ansiedlung von Fabriken, Werkstätten oder Kraftzentralen oftmals eine Art Lebenselixier. Einst geschätzt als Transportweg für Kohle, Rohstoffe oder Industrieprodukte, unentbehrlich meist auch zur Versorgung und Entsorgung der neuen "Etablissements", ist das industrielle Erbe Berlins über weite Strecken am Wasser entstanden und bis heute eindrucksvoll erfahrbar geblieben. Den Wasserweg von der Siemensstadt in das Industriegebiet Oberschöneweide säumen heute noch zahlreiche "Kathedralen der Arbeit und Technik" - Wasserwerke und Pumpstationen, Manufakturgebäude, Maschinenbauanstalten, Kabelwerke, Dampfmühlen, Müllverladestationen, Energiezentralen und natürlich moderne Hafenanlagen mit Schuppen, Speichern oder Silos, Kühlhäusern und Kaikränen.

Zentren der historischen Industriekultur sind meist auch historische Zentren der Arbeiterbewegung und Arbeiterkultur. Überparteiliche Gewerkschaftshäuser, Produktions- und Konsumgenossenschaften oder Versammlungsbauten, in Berlin oftmals von prominenten Vertretern einer architektonischen Avantgarde entworfen, stehen für den Zusammenhang von sozialen und kulturellen Reformbewegungen im 20. Jahrhundert. Die gewaltigen wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen der letzten Jahre haben, spätestens seit dem Mauerfall, zahlreiche Berliner Industrie- und Technikdenkmale für ihre angestammte Funktion entbehrlich gemacht, nicht aber als kulturelle Erinnerungsposten für das historische Gedächtnis der Stadt und als historische Identitätsmarken im künftigen Stadtbild von Berlin. Die rasante Modernisierung der Berliner Wirtschaft oder die unter Hochdruck voranschreitende Erneuerung der verkehrlichen und technischen Infrastruktur sowie der Hauptstadtumzug haben manches Zeugnis unseres industriellen Erbes in vergleichsweise kurzer Zeit einer gänzlich neuen Funktion oder einer rationelleren Nachnutzung zugeführt und ihnen damit eine wirtschaftlich sinnvolle Überlebensperspektive eröffnet. Andere stehen als Denkmale im Wartestand für neue Nutzungsangebote bereit, befinden sich in der Planung für eine Umnutzung oder als Denkmalbaustelle auf dem Weg in eine veränderte Zweckbestimmung.

Allen Eigentümern, Veranstaltern und Initiativen, die anlässlich des internationalen Tages des offenen Denkmals interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie den Besuchern der Stadt eine Denkmalbesichtigung oder Denkmalführung ermöglichen, sei an dieser Stelle sehr herzlich für ihre Mitwirkung und ihr besonderes Engagement gedankt. Ihnen und ihren Gästen wünscht das Landesdenkmalamt angenehme und anregende Tage des offenen Denkmals in Berlin.

Jörg Haspel
Landeskonservator Berlin

 

Zum Kopf der Seite Landesdenkmalamt Berlin
Klosterstraße 47, 10179 Berlin