Archiv: Hauptstadt Berlin - Dokumentation der Arbeitsphasen
3. Untergrund
Ein Regierungsgebäude wird nicht einfach auf Sand gebaut. Bevor mit dem Bauen begonnen werden kann und die Baukräne anrücken, muss der Untergrund vorbereitet und hergerichtet werden. Zunächst sind die Grundstücke zu beräumen. Unter die Beräumung fallen die Tiefenenttrümmerung von Kellerresten und Fundamenten, die Beseitigung möglicher Altlasten sowie die Kampfmittelbergung. Zudem müssen die historischen Spuren durch eine sorgfältige Dokumentation gesichert werden.
Baufeldfreimachung
Für den Aufbau des Parlaments- und Regierungsviertels wurden große Freiflächen im Zentrum der Stadt genutzt. Sie waren ehemals dicht bebaut und lagen sämtlich im "Endkampfgebiet um den Reichstag". Das erforderte eine grundlegende, im wahrsten Sinne des Wortes "tiefgreifende" Befreiung von Altlasten jeder Art.
Zu den großen Flächen der Baufeldfreimachung zählen:
Moabiter Werder für den Wohnungsbau der Bundesbediensteten (1), Polizei- und Feuerwache auf dem nördlichen Moabiter Werder (2), damaliger Lehrter Bahnhof, heute Hauptbahnhof (3), Bundeskanzleramt/Spreebogen (4), Platz der Republik/Forum (5), Alsenblock (Paul-Löbe-Haus) (6), Luisenblock-West (Marie-Elisabeth-Lüders-Haus) (7), Wohnblock Luisenstraße (8), Hafenplatz und Skulpturenwiese (9), Dorotheenblöcke (Jakob-Kaiser-Haus) (10), Ministergärten (11), Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR/Schinkelplatz (12), Werderscher Markt (13), Friedrichswerder-West (14), Palast der Republik (künftig Humboldt-Forum) (15) und Petriplatz (16).
Rückbau des Palastes der Republik (Blick von der Liebknechtbrücke)
1998 - innen asbest- saniert, außen erhalten
Fotos: Johannes Backes
2007 - im Rückbau
2009 - Schlossareal ohne Palast der Republik
Animation: treibhaus landschaftsarchitektur
Die Baufeldfreimachung umfasste insgesamt etwa 2 Mio. t Bodenaushub und Bauschutt sowie 30 t Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg, teilweise sogar noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Einige der Flächen glichen nach der Beräumung einer Kraterlandschaft. Sie wurden mit insgesamt rund 680.000 t reinem märkischen Sand, so weit erforderlich, wieder verfüllt. In den vier größten Gebieten der Baufeldfreimachung wurden die folgenden Massen an Bodenaushub und Bauschuttbeseitigung bewältigt: Moabiter Werder 480.000 t - Ministergärten 340.000 t - Alsenblock 250.000 t - Luisenblock West 190.000 t. Das sind in diesen Bereichen allein fast 1,3 Mio. t Aushub! Doch davon merkte man in der Stadt nur sehr wenig - dank einer Baustellenlogistik, die auf Schonung der Stadt ausgerichtet war. Der Abtransport von Bauschutt und Bodenaushub nahm ebenso den Weg über die Spree wie der Transport des Verfüllsandes. Für diese Transporte wurden insgesamt fünf Verladestellen errichtet, die nach vollendeter Baufeldfreimachung wieder verschwanden.
1998 - Beräumung der Ministergärten
2007 Freilegungen im Bereich der "Entwicklungsmaßnahme Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel"
Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin II B / DSK, März 2007
Baufeldfreimachung:
Bodenaushub und Bauschutt gesamt: 2 Mio. t
davon für die vier größten Vorhaben:
- Moabiter Werder 480.000 t
- Ministergärten 340.000 t
- Alsenblock 250.000 t
- Luisenblock West 190.000 t
Sonstige Beräumungen: 740.000 t
zusätzlich:
- Kampfmittel: 30 t
- Wiederverfüllung beräumter Flächen: 680.000 t Sand
Das Beispiel Baustellenlogistik
Für den Bau des Bundeskanzleramtes, des Fernbahn- und Straßentunnels und des Hauptbahnhofs wurde eine eigene Baulogistik am Kapelleufer auf der nördlichen Spreeseite aufgebaut. Dem vom der "Projektgesellschaft für Verkehrsanlagen im Zentralen Bereich Berlin mbH - PVZB" ausgeschriebenen und eingerichteten "Konsortium Baustellenlogistik Spreebogen" (KBS) wurde die Auflage erteilt, ohne Nutzung der Straßen die Gesamtmenge von 5,8 Mio. t Bodenaushub und 1,5 Mio. t Beton auf dem Wasserweg (80 Prozent) und auf der Schiene (20 Prozent) zu transportieren. Diese Aufgabe konnte nur mit einer eigenen, vom Stadtverkehr abgekoppelten Infrastruktur bewältigt werden. Dazu zählten nicht nur drei Kilometer Straße, ein Tunnel unter der Invalidenstraße und eine Behelfsbrücke über den Spandauer Schifffahrtskanal sowie eine andere mit 90 Metern Länge über die Spree, sondern auch ein eigenes Betonwerk mit einer Spitzenkapazität von 83.000 Kubikmeter pro Monat. Der Schiffsverkehr auf der Spree wurde durch eine eigens eingerichtete Schiffsleitstelle koordiniert.
Erkundungen des Untergrunds
Der Baufeldfreimachung gingen regelmäßig umfangreiche Untersuchungen voraus: Bodengutachten, Altlastenerkundungen sowie Bestandskartenauswertungen zur Bestimmung der Leitungsbestände. Die geophysikalische Untersuchung macht im Untergrund verborgene Materialien sichtbar. Mit geomagnetischen und geoelektronischen Messgeräten wird die zu beräumende Fläche zunächst engmaschig abgesucht. Als erstes Ergebnis dieser umfassenden Arbeit entsteht eine Karte, mit deren Hilfe die ungefähre Lage der im Untergrund angetroffenen Bodenanomalien (Fundamentreste, Leitungen, Bombensplitter) erfasst wird.
In einigen Fällen waren auch archäologische Erkundungen Bestandteil der Baufeldfreimachung. Sie beruhen auf einer vorhergehenden Aktenrecherche und dem Studium historischer Pläne und Karten. Ist ein Baufeld von stadtarchäologischem Interesse, begleiten Grabungsteams des Landesdenkmalamtes (LDA) die Beräumung des Grundstücks. Ihre Vorkenntnisse des Untergrundes dienen nicht allein der Lokalisierung archäologisch relevanter Orte, sondern bestimmen auch Umfang und Tiefe der Beräumung. Damit sind sie ein wichtiger Mosaikstein bei der Planung und Durchführung der gesamten Baufeldfreimachung, speziell aber auch der historischen Spurensuche. Beräumung und archäologische Grabung werden oft "zeitschonend" parallel durchgeführt.
Petriplatz, Berlin-Mitte - Geophysikalische Messungen
Karte: Büro für Geophysik Lorenz
Spuren des alten Berlin
Der bauliche Untergrund der Stadt steckt voller Überraschungen. Hier lagern Zeugnisse, die wichtige Aufschlüsse über die Stadt geben. Die Beräumung von Grundstücken zur Neubebauung bietet die einmalige Chance, in die "Tiefe" der Geschichte einzudringen und verborgene Spuren städtischen Lebens zu sichten und zu sichern. Die archäologischen Grabungen bilden einen festen Bestandteil der Entwicklungsmaßnahme.
Orte der archäologischen Grabungen:
- Berliner Schloß (Fortsetzung der Erkundungsgrabungen vor Neubebauung),
- Bauakademie (im Zusammenhang mit dem Rückbau des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten),
- Kommandantur (vor deren Wiedererrichtung),
- Münze (in Vorbereitung des Neubaus für das Auswärtige Amt),
- Reichsbank (als Teil der Baufeldfreimachung auf dem Friedrichswerder),
- Petriplatz (zur Vorbereitung der städtebaulichen Neuordnung),
- Ministergärten (parallel zur Baufeldfreimachung für die Ansiedlung der Landesvertretungen und den Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas).
Als Beispiel für den Erkenntnisgehalt und den historischen Wert einer Grabung wird auf die archäologische Erkundung im Bereich Petriplatz Bezug genommen.
2007 - Mauerreste des Stadtschlosses
Foto: GWAC GmbH
Bestandsplan Schloßplatz Berlin-Mitte
Bearbeitet von: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Vermessungswesen; Büro für Geophysik B. Lorenz; Landesdenkmalamt Berlin
Grabungen am Petriplatz
Petrikirche um 1700
Quelle: Landesdenkmalamt Berlin
Die Grabungen auf dem Platz an der Gertraudenstraße standen unter dem Vorzeichen, dass hier mit äußerst interessanten Funden zu rechnen ist und umfassende Grabungen vorzunehmen sind. Die baulichen Spuren der ehemaligen Petrikirche, des dazugehörigen Friedhofs und des ehemaligen Rathauses von Cölln sind von herausragender Bedeutung für die Berliner Stadtgeschichte. Die Ausgrabung zählt zu den interessantesten stadtarchäologischen Projekten der letzten Jahre. Sie wurde im März 2007 begonnen. Die in Verbindung mit der Baufeldfreimachung durchgeführten archäologischen Grabungen führen aufgrund ihrer Bedeutung zu wiederholten Aussetzungen der Beräumungsmaßnahmen. Der Wunsch, die archäologischen Funde auf Dauer am Ort zu präsentieren, wird derzeit auf seine Realisierbarkeit untersucht.
Von herausragender Bedeutung ist die Wiederentdeckung der Keller der 1442 im Cöllner Stadtbuch erwähnten Lateinschule. Sie ist die älteste bekannte Schule Berlins. In der Verfüllung der Schulkeller finden sich Kachelöfen mit Bildkacheln und Schriftzügen, Scherben bemalter und beschrifteter Teller und bislang nahezu 500 Glassiegel von Flaschen.
Jenseits der Schulmauern beginnen die Gräber des Petrikirchhofes, der bereits 1237, zum Zeitpunkt der ersten Erwähnung eines Pfarrers Symeon, an der Petrikirche bestanden haben dürfte. 1717 wurde das Gräberfeld nach 500 Jahren aufgelassen. An diesem Ort wurden also weit mehr als hundert Generationen von Cöllnern begraben, darunter einflussreiche und berühmte Bürger der Stadt.
Im Zentrum des zukünftigen Petriplatzes überlagern sich wenigstens drei Petrikirchbauten. Nach der Brandkatastrophe von 1730 begann Johann Friedrich Grael mit einem Neubau, dessen Turm 1734 einstürzte. Auch der nachfolgende Kirchenneubau wurde 1809 durch einen Brand vernichtet. Die 1846 bis 1853 errichtete letzte Petrikirche besaß damals den mit 111 Metern höchsten Kirchturm der Stadt. Im Zweiten Weltkrieg erlitt der neogotische Bau starke Schäden.
2007 - Grabungen am Petriplatz
Foto: Landesdenkmalamt Berlin / Claudia Melisch
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