Molkenmarkt
Magistrale durch die Berliner Altstadt
Bau der Grunerstraße, Blick vom Alexanderplatz Richtung Mühlendamm, im Vordergrund die Brücke der Stadtbahn, 1968
© Landesarchiv Berlin, F. Rep. 290-02-23 Nr. 159 / Breitenborn, Dieter [und Vera]
Die Planungen für das östliche Stadtzentrum Berlins degradierten das Plangebiet als nachrangigen Umfahrungsraum des zentralen Marx-Engels-Forums. Der engere Bereich des Molkenmarkts war bis zum Anfang der 1960er Jahre als großflächiger Kreisverkehrsplatz vorgesehen. Von dieser Planung abweichend absorbierte ihn Mitte der 1960er Jahre die sechsspurige Magistrale (Leipziger Straße–Mühlendamm-Grunerstraße) mit breitem Mittelstreifen. Die enorme Straßenaufweitung erforderte weitere Abrisse wie den nördlichen Flügel des Landgerichtsgebäudes an der Littenstraße und das Gebäude Großer Jüdenhof Nr. 5.
Mit dem Tunnel unter dem Alexanderplatz am Ende der neu trassierten Grunerstraße war der radikale Durchbruch durch das historische Zentrum 1969 vollendet. Nördlich davon entstand 1972 der Riegel der Rathaus-Passagen. Schnellstraße und Hochhäuser besiegelten den Untergang der traditionellen Stadt in diesem ältesten Teil Berlins. Das von der Kirchenruine und wenigen zerstreuten Bauten repräsentierte Viertel geriet damit in eine Randlage. Um die Ruine der Klosterkirche, die nun fast unmittelbar an der Grunerstraße lag, wurde eine Grünfläche angelegt.
Neubauten an der Grunerstraße, nur die Ruine der Klosterkirche (vorne rechts) erinnert noch an die Trümmerwüste nach dem zweiten Weltkrieg, 1979
© Bundesarchiv, Bild 183-U0511.014 / Manfred Siebahn
Das zur 750-Jahr-Feier Berlins entstandene Nikolaiviertel mit Anklängen an historische Bauformen war ein erster Versuch, historische Strukturen entlang der Grunerstraße wiederaufzunehmen.
Während sich nördlich der Grunerstraße das Vorzeigebild einer sozialistischen Großstadt etablierte, entstand am östlichen Ende der Parochialstraße ein Versatzstück der Berliner Altstadt. Das Palais Podewils wurde in vereinfachter Form wiederhergestellt und avancierte als "Haus der jungen Talente" zu einem vielbesuchten Jugendtreff in der Berliner Mitte. Die restaurierte mittelalterliche Stadtmauer an der Waisenstraße und die Gaststätte "Zur letzten Instanz", ein historisierender Neubau von 1962, bildeten eine gut verborgene Erinnerungsinsel der ehemaligen Altstadt Berlins.
Seit den 1970er Jahren hat sich im Plangebiet baulich wenig verändert. Rotes Rathaus und Altes Stadthaus wurden nach der Wende grundlegend erneuert. Die Ansätze zu einer Rekonstruktion des Stadtgrundrisses lassen die Neubauten der Berliner Wasserbetriebe und die Niederländische Botschaft an der Südseite der Stralauer Straße erkennen. Mit dem neuen Parkhaus an den Rathaus-Passagen kamen Läden als Vorboten städtischen Lebens in die nördliche Grunerstraße.
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