Luftbild, 1928 © Geoportal Berlin
Der Neubau des Berliner Rathauses an alter Stelle leitete in den 1860er Jahren die Überformung der Altstadt mit städtischen Großbauten ein. Der Boom der wilhelminischen Gründerzeit verlieh der wachsenden Industrie- und Handelsmetropole Berlin eine hohe Dynamik. Dabei trieb anders als etwa in Paris oder London nicht der Staat, sondern die städtische Verwaltung den massiven Stadtumbau Berlins voran.
Erneuerungsprojekte, die dem zunehmenden Verkehr mehr Raum boten, gingen zu Lasten der engen Altstadtquartiere. Im Jahr 1880 wurde zunächst die Kaiser-Wilhelm-Straße, heute Karl-Liebknecht-Straße, durch den Norden Alt-Berlins gebrochen. Von 1886 bis 1895 erfolgte in der südlichen Altstadt unter anderem die Umwandlung des Mühlendamms in eine Brücke mit breiterer Fahrstraße. Bis 1914 kam es rund um den zentralen Verkehrsknotenpunkt Molkenmarkt immer wieder zur Zusammenlegung von Parzellen, auf denen bis zu sechsgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser emporwuchsen. Läden und Restaurants prägten das Bild entlang der großen Straßen der expandierenden Stadt. Büros und Betriebe siedelten sich in den oberen Etagen und den Höfen an.
Im Jahr 1889 wurde im Blockinnenbereich der Spandauer Straße, direkt südlich des Roten Rathauses, das dritte Berliner Elektrizitätswerk errichtet. Die rasch erweiterte Anlage versorgte die aufstrebenden Geschäfts- und Verwaltungsbauten am Molkenmarkt mit Strom, drängte der Stadtsilhouette aber auch zwei turmhohe Schornsteine auf.
Blick Richtung Rotes Rathaus, im Vordergrund das Elektrizitätswerk, 1920
© Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 (02) Nr. II6651
Molkenmarkt und Spandauer Straße, 1900
© Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. II12498
Der Molkenmarkt besaß als Knotenpunkt weiterhin große Bedeutung für die Berliner Innenstadt. In der Spandauer Straße, der Stralauer Straße und der Jüdenstraße verkehrten Omnibusse und Straßenbahnen in dichtem Takt. Seit der Verlängerung der U-Bahnlinie vom Spittelmarkt zum Alexanderplatz war das Quartier im Juli 1913 über den U-Bahnhof Klosterstraße mit dem modernsten Berliner Verkehrsmittel erreichbar. Inmitten der erwachten Großstadt prägten aber im Kern noch mittelalterliche Bau- und Parzellenstrukturen mit kleinen Haustypen die ruhigeren Quartiersecken an der Parochialstraße oder im Großen Jüdenhof.
Um 1900 setzte die Berliner Stadtverwaltung den Abriss aller Wohn- und Geschäftshäuser des Blocks zwischen Klosterstraße, Stralauer Straße, Jüdenstraße und Parochialstraße durch. Zwischen 1902 und 1911 entstand hier das Alte Stadthaus nach Plänen von Ludwig Hoffmann. Mit seinem hohen Turm und den repräsentativen Fassaden überragte dieser mächtige Verwaltungsbau die gewachsenen Quartiere. Die Blöcke östlich des Molkenmarkts lagen nunmehr eingespannt zwischen den monumentalen Verwaltungsbauten Rathaus und Stadthaus.
Mit der Bildung von Groß-Berlin im Jahr 1920 wuchs der Raumbedarf der Verwaltung erneut und wurde provisorisch durch die Anmietung von Büroflächen befriedigt. Nicht zuletzt wegen der wachsenden Mietkosten entwarf Richard Ermisch in den 1920er Jahren einen weiteren Verwaltungsgroßbau, der sich nach Abriss der Blöcke am Molkenmarkt auf den freigewordenen Flächen zwischen Rathaus und Stadthaus erstrecken sollte. Die Planungen kamen jedoch krisenbedingt zum Erliegen.