Die Planungen für die Verlegung der Grunerstraße und die Entwicklung des neuen Quartiers sind das Ergebnis eines umfangreichen Planungsprozesses, der in insgesamt fünf Phasen unterteilt werden kann. Erste Ideen zur Rückgewinnung des Molkenmarkts wurden nach der Wiedervereinigung gefasst und flossen in das Planwerk Innenstadt 1999 ein. Darauf aufbauend wurde anschließend ein Masterplan erarbeitet, der mit Beteiligung der Stadtgesellschaft in Workshops konkretisiert wurde.
Ein Bebauungsplan wurde erarbeitet und im Jahr 2016 nach Beschluss des Abgeordnetenhauses festgesetzt. Der rechtskräftige Plan bildet die Grundlage dafür, dass in der historischen Berliner Mitte wieder ein lebendiges Quartier mit einer vielfältigen Mischung aus Wohnen, Gewerbe und Kultur entstehen kann.
Phase 1 – Erste Ideen zur Verlegung der Straßen und Bebauung des Molkenmarkts
Gutachten zur Verlegung der Straße und Neuordnung (1992)
Zur Rückgewinnung des Quartiers am Molkenmarkt als Teil der Berliner Mitte muss die Grunerstraße im Bereich des Roten Rathauses und Alten Stadthauses verlegt werden. Das Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Kny + Weber, Prof. Schäche, Krause aus dem Jahr 1992 zeigt auf, dass durch die Verlegung der Grunerstraße bis zu vier neue Baublöcke gewonnen werden können.
Erster Entwurf zum Planwerk Innenstadt (1996)
In einem ersten Konzeptentwurf zum Planwerk Innenstadt – dem übergeordneten Konzept für das Stadtgebiet innerhalb des S-Bahnrings – wird die Verlegung der Grunerstraße sowie die neuen Blöcke am Molkenmarkt dargestellt.
Planungswerkstätten zur Struktur der Bebauung (1997/98)
Die Bebauungsstruktur der neuen Blöcke wird im Rahmen von drei Werkstattterminen verfeinert und in öffentlichen Stadtforen intensiv diskutiert. Es werden unterschiedliche gestalterische Varianten für die inneren Bereiche der Blöcke, den Jüdenhof und den Bereich um die Klosterruine entwickelt.
Ergebnis der Planungswerkstätten zum Molkenmarkt (Flugisometrie), 1998
© SenStadtWohn
Planwerk Innenstadt (1999)
Die planerischen Vorarbeiten fließen in das Planwerk Innenstadt ein. In der Fassung des Senatsbeschlusses im Jahr 1999 sieht es einen neuen Block zwischen Jüden- und Klosterstraße sowie einen neuen Standort für das Gymnasium zum Grauen Kloster zwischen Klosterstraße und Littenstraße vor. Für den Bereich Molkenmarkt selbst wurde 1999 noch keine planungspolitische Einigung gefunden. Die Grunerstraße verläuft in dieser Fassung noch schräg über die künftigen Baufelder zwischen Rotem Rathaus und Altem Stadthaus.
Planwerk Innenstadt mit dem Molkenmarkt nach Beschluss 1999
© SenStadtWohn
Gutachten zur Neubebauung des Jüdenhofs (2002)
Der im Hochmittelalter angelegte Große Jüdenhof bestand bis 1937 als ein Ensemble von zwölf Wohnhäusern um einen annähernd quadratischen Hofraum zwischen Jüden- und Klosterstraße. 1937/38 erfolgte der Abriss einiger Häuser für den Neubau der Städtischen Feuersozietät, heute Neues Stadthaus. 1950/51 wurden die Überbleibsel des im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Großen Jüdenhofs abgeräumt.
Das Gutachten des Stadthistorikers Dr. Dieter Hoffmann-Axthelm und des Architekten Marc Jordi geht der Geschichte des Jüdenhofs, der das Gebiet seit dem Mittelalter prägte, auf den Grund. Es wird erörtert, wie eine historisch orientierte Neubebauung des Großen Jüdenhofs aussehen kann.
Jüdenhof vor der Sanierung, 1935
© Landesarchiv, F Rep. 290, Nr. 61/2402
Jüdenhof, Kinder beim Spielen, 1930
© Bundesarchiv, B 145 Bild-P063067 / Fotograf(in): o. Ang.
Phase 2 – Einleitung des Bebauungsplanverfahrens und Erarbeitung des Masterplans
Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan 1-14 (2003)
Im Mai 2003 beschließt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, den Bebauungsplan 1-14 B "Molkenmarkt/Klosterviertel" aufzustellen. Die Aufstellung des Bebauungsplans ist notwendig, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die gewünschte Bebauung zu schaffen.
Aufgrund der stadtpolitischen Bedeutung des Gebiets ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für die Aufstellung des Bebauungsplans zuständig.
Architekturworkshop (2004)
Sechs Architekturbüros erarbeiten im Rahmen eines Workshops jeweils städtebauliche Konzepte für das Quartier am Molkenmarkt. Die Konzepte sollen die historischen Spuren und unterschiedlichen Schichten im Stadtgrundriss berücksichtigen, die vorhandenen Gebäude als Rudimente einbeziehen sowie eine stadtwirtschaftlich tragfähige Vision für das Quartier aufzeigen.
Die Ergebnisse des Workshops dienen der Qualifizierung des Planungsprozesses. Ziel war es, aus den Stärken der einzelnen Konzepte einen Masterplan zu erarbeiten.
Ergebnisse des Architekturworkshops 2004:
Entwurf: Marc Jordi, 2004
Entwurf: Knerer und Lang, 2004
Entwurf: Helmut Riemann, 2004
Entwurf: Rohdecan Architekten, 2004
Entwurf: Salomon Schindler, 2004
Entwurf: Benedict Tonon, 2004
Masterplan für den Molkenmarkt (2005)
In Fortführung des Architekturworkshops wird ein Masterplan erarbeitet, der die städtebauliche Grundlage für den Bebauungsplan bilden soll. Dafür beauftragt wurde das Architektenteam Helmut Riemann und Jonas Luther, da deren Vorschläge aus dem Workshop die besten Voraussetzungen für die konzeptionelle Weiterentwicklung boten.
Das Konzept zeichnet sich durch die Interpretation historischer Qualitäten für das neue Quartier aus. Eine Rekonstruktion der mittelalterlichen und gründerzeitlichen Altstadt ist nicht vorgesehen. Stattdessen stehen die Neuentdeckung und Neuinterpretation des historischen Stadtraums im Mittelpunkt.
Masterplan für den Molkenmarkt von Helmut Riemann und Ulla Luther, 2005
Phase 3 – Weitere Qualifizierung der Städtebaulichen Ideen
Weiterentwicklung des Masterplans (2008)
Der Masterplan aus dem Jahr 2005 wurde im Rahmen eines Workshops weiterentwickelt. Drei unvoreingenommene Architekturbüros, die in die bisherige Planung noch nicht involviert waren, entwickeln alternative Konzepte für drei Teilbereiche, die bisher noch nicht überzeugend gelöst waren: Der Platz vor dem Alten Stadthaus, die Parochialgasse und den Blockinnenbereich des Baublocks zwischen Jüdenstraße und Klosterstraße.
Die Beiträge des Workshopverfahrens waren Grundlage der weiteren städtebaulichen Erörterungen etwa zur Nutzungsverteilung, zur Ausbildung öffentlicher und privater Räume sowie zu Bauhöhen und Baukörpertypen.
Ergebnisse des Workshops 2008:
Entwurf:
ARGE as if und Raumzeit Architekten, 2008
Entwurf: Haberland Architekten, 2008
Entwurf: koop_X Architekten, 2008
Workshop für das Anti-Kriegs-Museum (2008)
Das im Jahr 1925 von dem Pazifisten Ernst Friedrich gegründete weltweit erste internationale Anti-Kriegs-Museum befand sich in der Parochialstraße am Standort des heutigen Neuen Stadthauses direkt am Großen Jüdenhof. Unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung wurde 1933 das Anti-Kriegs-Museum von der SA übernommen und in eine Folterkammer umgewandelt.
Das Anti-Kriegs-Museum soll wieder an seinen historischen Standort am Jüdenhof untergebracht werden. In bisherigen Planungsüberlegungen wurde ein Standort des Museums noch nicht berücksichtigt. Daher wurde im Rahmen eines Workshopverfahrens mit drei teilnehmenden Architekturbüros untersucht, wie sich ein Baukörper für das Museum in Korrespondenz mit den anderen geplanten bzw. bestehenden Gebäuden einfügen kann.
Die Entwürfe von August + Frank Architekten sowie von Haberland Architekten bilden beide eine gute Grundlage für eine künftige Realisierung. Die Festsetzungen des Bebauungsplans lassen die Realisierung beider Entwürfe zu.
Anti-Kriegsmuseum in der Parochialstraße, 1930
© Bundesarchiv, B 145 Bild-P063078 / Köhler
Spezifizierung des Blockbereichs vor dem Alten Stadthaus (2009)
Für den Block vor dem Alten Stadthaus wurde im Ergebnis der Koalitionsklausur eine erneute Überarbeitung vereinbart. Das Büro Haberland war mit der Erarbeitung alternativer Konzeptionen beauftragt. Der ausgewählte Entwurf sieht einen begrünten Platz mit hoher Aufenthaltsqualität im Blockinnenbereich vor. Durch die Öffnung des Blocks auf einer Achse, entstehen Sichtbeziehungen zum Kuppelturm des Alten Stadthauses sowie zur Nikolaikirche.
Masterplan (2009)
Die vorangegangenen thematischen Qualifizierungen einzelner Teilbereiche werden im fortgeschriebenen Masterplan zusammengefasst. Die neuen Ideen für das Anti-Kriegs-Museum, den Jüdenhof und den Bereich vor dem Alten Stadthaus sind im Plan eingezeichnet. Dieser Masterplan bildet die Grundlage für den später festgesetzten Bebauungsplan.
Visualisierung des Blockinnenbereichs vor dem Alten Stadthaus, 2009
© Visualisierung: Philipp Eder im Auftrag von SenStadtWohn
Schrägluftbild mit Visualisierung des Masterplans, 2009
© Visualisierung: Philipp Eder im Auftrag von SenStadtWohn
Phase 4 – Erneuter Start der Planungen und Überarbeitung des Bebauungsplans
Planwerk Innere Stadt (2010)
Das durch den Senat beschlossene Planwerk Innere Stadt aus dem Jahr 2010 ist eine räumliche und methodische Weiterentwicklung des Planwerks Innenstadt aus dem Jahr 1999. Der fortgeschriebene Masterplan wurde in das Planwerk Innere Stadt übernommen.
Erneute Einleitung des Bebauungsplanverfahrens (2014)
Nach umfangreichen politischen Abstimmungen zum Projekt, wurde im Jahr 2014 das Bebauungsplanverfahren neu eingeleitet und wieder aktiv vorangetrieben. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen tatsächlichen und rechtlichen Änderungen werden umfassende Untersuchungen in Bezug auf Verkehr, Lärmbelastung und Lufthygiene in Auftrag gegeben.
Inkrafttreten des Bebauungsplans (2016)
Der Bebauungsplan wird im Jahr 2016 im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen und im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht. Der Plan ist die planungsrechtliche Voraussetzung für die Verlegung der Grunerstraße und die Realisierung des neuen Quartiers. Er ist das Ergebnis eines langjährigen und intensiven Planungsprozesses.